Telefonieren im Festnetz – Bald Geschichte?

Publiziert am 2015/06/16 unter: Telefon24 Blog / News

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Tendenz zwar stark rückläufig, aber nach wie vor gehört der Deutschen Telekom mit knapp 21 Millionen Festnetz-Anschlüssen (2014) der Löwenanteil des attraktiven heimischen Telefoniemarktes.

Dass sich derartige Marktführer-Rollen nicht immer zum Vorteil des Kunden auswirken müssen, machte der börsennotierte Großkonzern erst unlängst wieder unmissverständlich klar.

ISDN – der HSV unter den Telefonschlüssen

deutsche telekomSeit 1989 in deutschen Wohnungen wie Büros zum Telefonieren allgegenwärtig, scheint es wenigstens dem Telefon-Dino nun endgültig an den Kragen zu gehen – diesmal ohne Relegationschance in Fürth oder Paderborn.

Für so manchen aus dem Nichts erging im September 2014 an rund 300 000 Telekom-Kunden das Ultimatum, entweder der Aufforderung zum Wechsel auf einen All-IP-Vollanschluss umgehend nachzukommen – oder eben den bestehenden Vertrag kurzerhand gekündigt zu bekommen.

Angeschrieben mit den Kündigungsdrohungen wurden anfangs nur Telekom-Zahler mit ISDN / PSTN-Anschluss in 54 Großstädten, deren Verträge in einigen Monaten ausliefen.

Telefonieren übers Internet

VoIPDie neue, flächendeckend intendierte Anschluss- und Übertragungstechnologie VoIP (Voice over Internet Protocol) für Sprachtelefonie bedeutet dabei letztlich nichts anderes als digitales Telefonieren über das Internet.

Wird die beabsichtigte Umstellung auf All-IP vom angeschriebenen Kunden nicht akzeptiert, steht demnächst eben gut 300 000 Telekom-Zahlern die rustikale Kündigung ins Haus. In der telefonischen Praxis bedeutet dies für den Kunden in letzterem Falle nichts weniger als die zeitnah komplette Abschaltung des Festnetztes.

Ingo Hofacker, dem Leiter des Privatkunden-Marketings bei der Telekom zufolge, haben bereits 10 % aller Festnetz-Kunden von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihren Anschluss zu besagten künftigen Konditionen nicht mehr zu verlängern. Hash-Tag Kundenabbau.

Der Ablauf der Kündigung

Vier Monate vor Vertragsablauf schreibt die Telekom den betroffenen Kunden erstmals an und informiert ihn über den aktuellen Sachverhalt.

Vier Wochen darauf erhält der betroffene Kunde (derzeit rechtskonform) eine fristgerechte Kündigung des in herkömmlicher Form hinfällig werdenden Telefon-Anschlusses.

In diesem Schreiben nun bittet man den Anschluss-Inhaber um Kontaktaufnahme mit der Telekom zwecks Ausarbeitung eines neuen Vertrages.

Bei Nichtreagieren des Kunden hierauf startet die Telekom laut Unternehmensleitung nochmals zwei Versuche zu einer entsprechenden Kontaktaufnahme, bevor schlussendlich bei Vertragsende die Abschaltung der bisherigen Festnetz-Leitung erfolgt.

Wen trifft´s – und in welchem Umfang?

Gigaset 850go überall erreichbarVon der Telekom mit dieser Großmaßnahme anvisiert sind allen voran (Noch)Kunden mit Nutzung eines altgedienten VDSL-Anschlusses in Verbindung mit einem echten Telefonanschluss (ISDN oder Analog).

Diese optimierten DSL-Anschlüsse finden sich zuvorderst in Orten mit bereits begonnenem VDSL-Ausbau. Schon seit einiger Zeit besteht seitens der Telekom auch ein VDSL-Angebot ohnehin nur noch in Kombination mit einem All-IP-Anschluss.

Unternehmensaussagen nach von der Umstellung konkret betroffen seien lediglich Kunden mit Nutzung von Telefon + Internet (“Double Play”) oder Telefon + Fernsehen + Internet (“Triple Play”) UND dabei zugleich einen klassischen Festnetz- oder ISDN-Anschluss besitzen.

Zumindest vorerst NICHT betroffen von der Umstellung seien Telekom-Kunden, welche ausschließlich eine analoge Telefon-Schaltung bzw. einen ISDN-Anschluss nur zum Telefonieren ohne Nutzung zusätzliche Internet-Dienste besitzen

Laut Telekom würden diese Leitungen dann in der Vermittlungsstelle einfach entsprechend umgeschaltet, der jeweilige Anschluss bliebe für diese Kunden auch danach de facto der Gleiche.

Will man der Telekom Glauben schenken, so ist eine Kündigung dieser Altverträge gegenwärtig (!) nicht geplant.

Unproblematisch ist dem Unternehmen zufolge auch die Mitnahme der alten Rufnummer, da der Zugriff auf die neu erstellte IP sich unbemerkt für den Kunden quasi völlig im telefonischen Hintergrund vollziehe.

Pro und Contra VoIP-Anschluss

Vorteile eines VoIP-Anschlusses? Die gibt es tatsächlich – und auch nicht nur, weil die Telekom das hier Glauben machen will.

Telefonieren per Internetleitung ermöglicht modernes sprachliches Kommunizieren über kostensparende und schnelle Internetleitungen in guter Sprachqualität – und das äußerst mobil nicht mehr alleine am ortsgebundenen Hometelefon, sondern auch über zahlreiche VoIP-fähige Endgeräte wie Smartphone, Tablet oder DECT-Schnurlostelefon.

Der Zugang zur Internetleitung gestaltet sich, wenigstens der Theorie nach, denkbar einfach: Das verwendete Telefon muss dabei nur noch direkt in den (zum Funktionieren stets benötigten!) Internet-Router eingestöpselt werden.

“Die Dienste werden dadurch schneller, stabiler und billiger”, mehr noch: die IP-Adresse sei der “Universalcode des 21. Jahrhunderts.” verspricht vollmundig Unternehmenssprecher Jodl.

Aber wo Licht ist …

War der am Telefon bisher geschaltete analog-digitale Übertragungsweg für Sprachdaten via ISDN-Leitung insgesamt recht verbindungsstabil und störungssicher, so kann das die neue VoIP-Technik so nicht immer von sich behaupten.

Hier vermögen neben allzu nah agierenden WLANS mit simultan aktiven VoIP-Programmen sowie nicht zuletzt Überlastungen der eingewählten VoIP-Leitung selbst auch schnell einmal zu Störungen oder sogar längeren Unterbrechung des Telefonievergnügens führen.

Nicht zu vergessen der telefonische Supergau

Ist einmal der Strom für´s Internet plötzlich weg, geht auch mit VoIPen nichts mehr. Konnte da der analog basierte ISDN-Anschluss nicht nur bei Notrufen gleichgültig mit den Achseln zucken, ist der neue All-IP-Zugriff ohne technische Zusatzaufrüstung hier extrem abhängig vom guten Willen seiner angehängten Stromleitung.

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Obgleich auch andere Anbieter bereits seit längerem wettbewerbsbedingt ihre Infrastruktur auf All-IP umstellen, häufen sich bei den Verbraucherzentralen die Klagen insbesondere von Telekom-Kunden über teils wochenlange Telefonie-Ausfälle seit dortigem Umstellungsbeginn – offenbar aufgrund hierbei massiv auftretender technischer Probleme.

Die dann – gezwungenermaßen von woanders – angerufene Hotline wimmelt zahlreichen Kundenklagen nach einfach mehr oder weniger ab. Der Bereitschaft zur Umstellung wird dieser zweifelhafte Umstand zweifellos nicht förderlich sein.

Garantiert keinen Spaß machen dem zwangsumgestellten Kunden auch von der Telekom gerne verschwiegen Zusatzkosten, welche gerade bei älteren Telefonmodellen rasch etwa in Gestalt eines neu anzuschaffenden Routers oder für die Neueinrichtung ggf. zu beauftragenden Technikers lauern.

Beim Telefonieren schnell einen Strich durch Rechnung machen kann darüber hinaus auch die unzureichende Übertragungsqualität der DSL-Leitung vor Ort – stets funktionierende Provider-Software ohnehin vorausgesetzt.

Funktioniert letztere nicht einwandfrei ist das begonnene Telefongespräch gleich einem Internetabsturz abrupt beendet.

Und warum das Ganze überhaupt?

Die Begründungsstrategie der Telekom liest sich wie folgt: Für die alte Technik könnten zahlreiche Ersatzteile nicht mehr produziert werden – und somit langfristig hohe Qualitätsstandards der Telekom nicht mehr hinreichend sicherzustellen (?).

Eine mindestens ebenso gewichtige Rolle spielen hierbei fraglos wirtschaftliche Faktoren: Lediglich ein einziges Netz verwalten und warten zu müssen, spart definitiv deutlich Kosten, zudem kann bei internetbasierter IP-Technik gegenüber klassischen Festnetz-Schaltungen erheblich mehr zentral – und damit auch schneller – gesteuert werden.

Laut Telekom-Sprecher Markus Jodl bestünde zum Vertragswechsel bereits diesbezüglich eine rechtliche Verpflichtung seitens des Unternehmens, als fortan im (bestehenden) Vertrag ja ein nicht mehr angebotenes Produkt enthalten sei.

Befehl von oben

gesetzgeberUnd allem voran: Vom Gesetzgeber hierfür verordnete Wettbewerbs-Regularien ließen keinen anderen als den gewählten Zeitrahmen zu.

Jedem hier tätigen Anbieter sei ein sehr eng bemessenes Zeitfenster auferlegt, welche die Telekom zu einer Abwicklung der gesamten Umstellungsmaßnahme binnen 2 – 3 Jahren zwängen.

Alles nur fadenscheinige Begründungen?

Vom Vizepräsidenten der rechtlich hierfür zuständigen Bundesnetzagentur, Wilhelm Eschweiler, heißt es demgegenüber ziemlich lapidar: “”Es gibt keine regulatorischen Vorgaben dafür, dass die Telekom eine solche Umstellung vornehmen oder binnen eines bestimmten Zeitraums vornehmen muss”.

Die Umstellung der Telefonanschlüsse auf All-IP sei alleinige unternehmerische Entscheidung seitens der Telekom.

Als zusätzliche Überzeugungshilfe wirbt die Telekom gerne mit bereits über 5 Millionen bestehenden VoIP-Anschlüssen – zum Teil erhebliche Serviceprobleme werden dabei jedoch gerne verschwiegen.

Und nicht zuletzt, wieso jetzt erst? Ist man sich bei der Telekom etwa mit Mega-Verspätung bewusst geworden, hier womöglich eine der mit tiefgreifendsten Entwicklungen Richtung Telekommunikation verschlafen zu haben?

Ruhig Mut zu (eigentlich) keinem Risiko!

Erpresst, überfahren, ausgenutzt – die negativen Begrifflichkeiten für das unschöne Telekom-Ultimatum könnten in verschiedene Worte gefasst werden.

Verbraucherschutz-Verbände raten hiervon betroffenen Telekom-Kunden deshalb eindringlich zur kritischen Überprüfung ihrer bestehenden Altverträge inklusive eingehender Prüfung eines Anbieterwechsels.

Der meist schnell und unkompliziert vollzogene Wechsel weg vom Monopolisten zu einem anderen Anbieter ist gerade vor diesem unschönen Hintergrund allemal eine Überlegung wert. Nicht neu: Allerdings muss bei Vertragswechsel zu einem externen Anbieter häufig auch hier mit mehreren Tagen telefonieloser Zeit gerechnet werden.

Gib es Alternativen zur Telekom?

versatel logoUnd dennoch, so ganz kommt man – wenigstens momentan – der Telekom auch bei einem Anbieterwechsel nicht aus. Nach wie vor ist diese im Besitz aller deutschen Vermittlungsstellen für sämtliche direkt zum Kunden führenden Zuleitungskabel. Diese wiederum müssen dann erst wieder vom jeweils in Anspruch genommenen Mitbewerber gemietet werden.

Alternativ zur Umstellung auf VoIP bieten einige Anbieter – so etwa Versatel und Alice –  eine optionale Anschlussumstellung auf NGN (Next Generation Network).

Dieser ebenfalls neue Übertragungsstandard ist gekennzeichnet durch spezielle Protokolle und Implemen­tierungen und Protokolle von Soft- und Hardware im genutzten Vermittlungs­netz des Anbieters zur beidseitigen (Kunde und Provider) Optimierung der Sprachqualität.

Zusätzlich wird der Transfer von Sprachdaten hierbei gegenüber den Übermittlungen anderer Datentypen bevorzugt. Zu den wichtigsten Unterscheidungsmerkmalen von VoIP und NGN siehe die Übersicht unserer Kollegen von Teltarif.de.

Ein kurzes Umstellungs-Resümee

In der Tat wird sich so manch einer bald umstellen müssen – nicht nur, was die Anschlussart seines Telefons daheim betrifft.

VoIP-Fan oder nicht bzw. wirklich nur telefonieren wollen: Alleine schon aufgrund unstrittiger technischer Vorteile sowie merklicher Kosteneinsparungen für den Provider hat VoIP-Telefonie gerade im PC- und Smartphone-Segment eigentlich längst ihren Weg gemacht – und wird auf kurz oder lang auch die analogen Festnetztelefone flächendeckend als Anschlussoption dominieren.

Eine Bleibepflicht bei der Telekom gibt es selbstverständlich nicht, jedoch: Ob Kunde von Telekom oder Vodafone zu sein, wird künftig hinsichtlich allgemein kommender All-IP-Verpflichtung für den Telefonanschluss keinen großen Unterschied mehr machen.

Dennoch: Genaues Vergleichen der oft kurzfristig wechselnden aktuellen Konditionen und kurzlebigen Preise bei den verschiedenen Anbietern lohnt sich (nicht nur) bei beabsichtigtem Anschluss-Wechsel von der Telekom allemal!

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